Die Festung Europa als Club mit einem machtgeilen alten weißen Türsteher? So billig die Analogie auf den ersten Blick klingt, so ungeheuer scharf und schlüssig ist, was Wolfram Höll in „Disko“ daraus entwickelt. Ungewöhnlich ist schon die Form des Stücks: Die auf Minimalphrasen verdichteten, geloopten Texte der anwesenden Prototypen – vom Türsteher über die Helferin bis zum Flüchtling – sind in neun Spalten angeordnet, Beatbox-Geräusche wie „Bums“, „Tschick“ und „Bam“ inklusive …Die Festung Europa als Club mit einem machtgeilen alten weißen Türsteher? So billig die Analogie auf den ersten Blick klingt, so ungeheuer scharf und schlüssig ist, was Wolfram Höll in „Disko“ daraus entwickelt. Ungewöhnlich ist schon die Form des Stücks: Die auf Minimalphrasen verdichteten, geloopten Texte der anwesenden Prototypen – vom Türsteher über die Helferin bis zum Flüchtling – sind in neun Spalten angeordnet, Beatbox-Geräusche wie „Bums“, „Tschick“ und „Bam“ inklusive … Der Abend verläuft klassisch, wer „in“ ist, ist drin, der Rest bleibt vor der Tür. Das gilt auch für einen ankommenden Flüchtlingstreck. Doch in einem Anfall von Menschlichkeit überrumpelt die Partycrowd den Türsteher und feiert mit den Geflüchteten zusammen. Von Helferinnenstolz über Fremdenhass bis zum Paternalismus sind hier alle Varianten des wirren deutschen Migrationsdiskurses am Start. Wie auf jeder Party tanzen zudem Vereinzelung, Existenzangst und Leistungsdruck mit. Nur, diese Clubnacht wird mörderisch enden – und ein Schuldiger ist schnell gefunden, zu schnell. Höll liefert Kondensate gesellschaftlicher Verhältnisse, heruntergebrochen auf Popsong-Lyrics. Ivan Panteleev inszeniert die Uraufführung in Leipzig in einem lamettaglitzernden Fitnessclub mit Elektrobeschallung. „Disko“ ist eine starke, bizarre Parabel auf das beschämende Ende der deutschen Willkommenskultur. Dabei war die Party, war die Lage nie aussichtslos. Nur, wenn das Denken in Loops stattfindet, ist das schwer zu erkennen.
(Cornelia Fiedler für Stücke Mülheim 2019)

Besetzung
Stück für 7 SchauspielerInnen

Rechte
Suhrkamp Verlag 2019

Aufführungen
Schauspiel Leipzig

Publikation
Theater heute 02/2019 (Auszug)